Das beschäftigt Assistenzärzte: Wie schaffe ich es, nicht in die Erschöpfungsfalle zu geraten?

Insbesondere für die jungen Assistenzärzte ist die Gefahr groß, in die Erschöpfungsfalle zu geraten. Der Wechsel aus dem Alltag des Studiums in das Arbeitsverhältnis ist umwälzend, die Anforderungen und die zeitliche Beanspruchung sind groß, die Kompetenzen noch im Wachsen. Dazu kommt noch das Gefühl, es nicht allen recht machen zu können (von sich selbst einmal ganz abgesehen). Resilienz und Achtsamkeit sind als Allheilmittel in aller Munde. „Aber wie mache ich das jetzt ganz konkret?“ fragen mich meine Coachees.

5 Tipps, um im Assistenzarztalltag in der eigenen Kraft zu bleiben

Hier sind 5 Tipps, um nicht in die Erschöpfungsfalle zu geraten:

1. Schaffen Sie sich ein neues ganzheitliches Lebensdesign.

Die Studienzeit ist meist ein Gesamtpaket: Freunde sind häufig die Kommilitonen, gewohnt wird vielfach gemeinsam mit anderen Studenten, es gibt ein klares Ziel, und zudem füllt die Zeit mit Studium, Lernen etc. den größten Anteil der eigenen Zeit aus.

Mit Wechsel in die Assistenzarztzeit ändert sich alles: Die Freunde sind nicht zwangsläufig bei der Arbeit, das eigene Gehalt ermöglicht andere Wohnmöglichkeiten, die Arbeit füllt einen wesentlichen Anteil der eigenen Zeit aus, aber es gibt nun auch neu das Konzept von „Freizeit“. Es ändern sich alle Lebensbereiche. Die Arbeit füllt dabei nur einen Lebensbereich, nämlich den der Arbeit (auch wenn es sich nicht so anfühlt). Das gilt es sich bewusst zu machen! Die anderen Lebensbereiche wollen auch gefüllt werden: Gesundheit, Wohnen und Umgebung, engstes persönliches Umfeld, Freunde, Hobbies, Sinn erleben. Alle diese Aspekte eines Lebens möchten erlebt werden, denn sonst entsteht das Gefühl „Ich arbeite ja nur noch.“ Suchen und schaffen Sie sich also Dinge, die Ihr Herz erfreuen und mit denen Sie sich auch außerhalb der Arbeit ausdrücken können.

2. Sorgen Sie für Ihre Grundbedürfnisse.

Rausgreifen möchte ich die Grundbedürfnisse Schlafen und Essen bzw. Trinken. Diese Grundbedürfnisse kommen in einem Schichtdienstalltag möglicherweise zu kurz. Die Rahmenbedingungen sind anspruchsvoll, aber Sie können sich ggf. noch gewissenhafter Lösungen schaffen, mit denen Sie für ausreichend Schlaf und gutes Essen sorgen können. Beides ist entscheidend dafür, dass Sie sich wohl fühlen und in Ihrer Power sind. Und häufig sind es die zunächst unspektakulären Routinen (kein Handy vorm Schlafengehen, Hinlegen direkt nach den Nachtdiensten, Meal Prep, …) die den entscheidenden Unterschied liefern. Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr eigener Manager, dessen Auftrag es ist, dass Sie fit, leistungsstark und gut drauf sind. Wie würde Ihr Manager hinsichtlich Schlafen und Essen für Sie sorgen?

3. Sorgen Sie gezielt dafür, dass Sie Stress abbauen können!

Wie können Sie am besten abschalten? Was ist eine sichere Sache, um den eigenen Kopf frei zu bekommen? Und jetzt antworten Sie nicht theoretisch (Meditation, Yoga, Atmen, …), sondern überlegen Sie aus Ihrem eigenen Alltag und Ihrer eigenen Lebenserfahrung, was bisher sicher und auch in kurzer Zeit funktioniert hat. Es gibt Menschen, die Meditation und Yoga etc. sehr gerne praktizieren, aber es hilft ihnen nicht unbedingt, in kurzer Zeit den Kopf leer zu bekommen. In der Corona-Zeit wurde deutlich, dass viele einen Ausgleich erleben, wenn sie mit Freunden ausgehen. Aktive Bewegung und Auspowern sind häufig hilfreich, aber auch Musikinstrumente, Aktivitäten in der Gemeinschaft oder Sauna können für ein Entstressen sorgen. Reflektieren Sie das für sich persönlich, probieren Sie sich ggf. auch neu aus (z.B. mit neuen Hobbies), und überdenken Sie Ihre Routinen (z.B. mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren).

4. Reflektieren Sie Ihre eigenen Ansprüche.

Manchmal sage ich im Erstgespräch so etwas wie: Ganz ehrlich. Dieses Gefühl von „Ich habe so viel, was ich nicht schaffe“ in der Assistenzarztzeit – das ist erst der Anfang! Als Facharzt, Oberarzt, Chefarzt, aber auch im fortgeschrittenen Lebensalter möglicherweise mit Haus, Kindern, Familie etc. nimmt die Lebenskomplexität zunächst einmal kontinuierlich zu! Wenn wir an alle Lebensbereiche einen 100% Anspruch haben, dann werden wir uns immer zu 100% insuffizient fühlen. Besser wir lernen das früher als später.

Niemand belohnt uns dafür, dass wir ein schlechtes Gewissen haben, im Gegenteil. Das kostet nur Kraft und bringt uns nicht weiter. Einen hohen Anspruch an sich selbst zu haben, ist bis zu einem bestimmten Punkt nutzbringend, aber dann kippt es ins Gegenteil. Erwischen Sie diesen Punkt, bis zu dem Ihre eigenen Ansprüche Sie dabei unterstützen, ein gutes Leben zu führen und werfen Sie Ansprüche über Bord, die gerade nicht realisierbar sind oder Ihnen das Leben nur schwerer machen.

5. Sprechen Sie nett mit sich selbst.

So banal es klingt, aber achten Sie wirklich darauf, wie Sie Ihr eigenes Leben kommentieren. „Das hast Du ja jetzt schön versaut.“ oder „Das hättest Du eigentlich wissen müssen.“ sind für viele ein Alltagsdialog. Empowernd und bestärkend ist aber etwas anderes. Haben Sie ganz viel Verständnis für sich selbst. Sehen Sie den Arbeitsalltag und den Lebensabschnitt als eine Phase an, in die Sie sich hineinfinden müssen. Seien Sie immer großzügig in Ihrer eigenen Bewertung. Das hilft, sich mit sich selbst wohl zu fühlen.

Raus aus der Erschöpfung: Die Coachinggeschichte

„Ich steckte ganz tief in der Erschöpfung und Frustration, als ich mit dem Coaching startete. Ich hatte mir das Assistenzarztsein anders vorgestellt. Das Tempo, die Menge der Aufgaben und auch das teilweise unangenehme Miteinander zwischen Kollegen und sogar mit Patienten fand ich unhaltbar.

Ich war so überfordert und festgefahren, dass ich selbst gar nicht sehen konnte, wo ich anfangen soll. Da hat mir das Coaching rausgeholfen. Mit Frau Schroeder habe ich überlegt, wann ich bisher im Leben glücklich und kraftvoll war und was dazu geführt hat. Dann habe ich in aller Konsequenz überlegt, wie ich das in meinen jetzigen Rahmenbedingungen analog umgesetzt bekomme.

Ich bin vom Beifahrersitz runter und habe mich wieder selbst ans Steuer gesetzt. Es ist ja ganz logisch, dass in einer neuen Lebensphase auch ganz andere Kompetenzen gefragt sind! Ich sorge jetzt viel mehr und viel besser für mich selbst. Teilweise fordert das nicht einmal deutlich mehr Zeit, sondern ist lediglich ein Umdenken: die Reste von gestern als Lunchpaket mitnehmen, immer im Spind Nüsse und Eiweißriegel liegen haben, mir die Zeit nehmen, kurz auf Toilette zu gehen oder einfach mehr auf meine Worte achten – die an mich selbst und an andere. Ich habe z.B. festgestellt, dass ich ganz oft selbstironisch über mich spreche. Das strahlt weder Kompetenz aus noch fühlt es sich für mich schön an.“

Foto und Coachinggeschichte wurden zwecks Einhaltung der Diskretion abgeändert.

Dieser Blogartikel ist der dritte und zunächst letzte Artikel aus meiner Serie „Das beschäftigt Assistenzärzte“ mit praktischen Tipps aus meiner Coachingpraxis.“ Wenn Sie als Arbeitgeber für Ihre Assistenzärzte eine wichtige Unterstützung bieten möchten und ein Coachingangebot machen möchten oder aber wenn Sie als Assistenzarzt mit einer Gruppe von Kollegen aus Ihrem Haus mittels eines gemeinsamen Coachingprogramms bei mir weiterentwickeln möchten, dann schauen Sie sich mein „Inhouse“ Coachingprogramm für eine Gruppe von Assistenzärzten genauer an und melden Sie sich bei mir!

Astrid Schroeder

Organisationsberaterin im Gesundheitswesen und Business Coach spezialisiert auf das Gesundheitswesen.