Wie trete ich souverän auf?

Was ist Souveränität? Wie können wir sie erlernen? Und was ist der erste Schritt hin zu mehr Souveränität?

In diesem Blogartikel nehme ich Sie mit in meine Erfahrungswelt und zeige dabei auch immer wieder auf, was typische Unterscheidungsmerkmale von Männern und Frauen im Auftreten, Denken und Handeln sind. Außerdem können Sie sich in die Warteliste eintragen: in regelmäßigen Abständen führe ich ein Skills-Training mit praktischen Übungsanteilen durch.

„Da habe ich mich nicht gut platziert!“

Kennen Sie das Gefühl, sich nicht so gut platziert zu haben, wie man es der eigenen Meinung nach verdient gehabt hätte? Hier ein paar Beispiele, wie ich Sie von Kund*innen immer wieder höre:

  • Wenige Minuten nach unserem Vorschlag oder Wortbeitrag wiederholt ein männlicher Kollege im Brustton der Überzeugung unsere eben gebrachten Inhalte als neue Erkenntnis. Ab dann wendet sich das Gespräch und der Kollege wird zitiert.
  • Wir bereiten fundiert etwas vor, geben dies an einen Kollegen weiter, der sich Zeit spart und es wie selbstverständlich präsentiert.
  • Wir lassen den anderen den Vortritt bei der Auswahl der Urlaubszeiten, OP-Zeiten, bei der Besetzung von Räumlichkeiten etc. Später ärgern wir uns dann.
  • Wir lassen Alltagssituationen im Sinne von „Der Klügere gibt nach oder regt sich nicht auf“ ungeklärt verstreichen, z.B. weil wir nicht als zickig wahrgenommen werden wollen.

Ich wäre so gerne souveräner

„Ich wünsche mir noch mehr Souveränität.“ heißt es dann häufig bei meinen Kund*innen.

Und vielfach richten sie die Frage an mich: „Hätte ich in der Situation etwas sagen sollen? Oder war es richtig zu schweigen?“ Sie ahnen es: Darauf gibt es keine pauschal richtige oder falsche Antwort. „Es hängt davon ab.“ ist meine zunächst unbefriedigende Antwort, und zwar vom Gegenüber, von der Situation, von den eigenen Zielen und nicht zuletzt vom Gefühl für die eigenen Werte.

Für mich ist Souveränität eine Haltung, eine Haltung der eigenen Klarheit, inneren Sicherheit und Selbstbestimmtheit, die wir (mal besser, mal schlechter) in Interaktion umsetzen können.

Woraus setzt sich Souveränität zusammen?

Manchmal denken wir, souverän ist der, der besonders schlagfertig ist, der sich nicht provozieren lässt oder der es schafft, sich toll in Szene zu setzen. Das mag alles richtig sein, aber was wir dort in erster Linie beobachten, ist das „Handwerkszeug“ einer Person, wie sie kommunziert und interagiert. Was wir hinter diesem Handwerkszeug spüren, ist die innere Sicherheit und Stabilität der Person, ihre Haltung. Und zwischen der inneren Haltung und der Darstellung nach Außen gibt es noch eine weitere Ebene von Souveränität und das ist die Strategie oder Absicht,  d.h. die Überlegung, wie ich vor dem Hintergrund meiner eigenen inneren Haltung und in Anbetracht der Situation mit meinen eigenen Möglichkeiten agieren möchte.

Mindset für mehr Souveränität

Wenn wir uns durch jemand anderes oder eine Situation aus der Ruhe bringen lassen, dann verlieren wir unsere eigene innere Sicherheit.  Je erfahrener wir sind und je häufiger wir eine vergleichbare Situation schon gut bewältigt haben, desto weniger kann uns eine Situation aus der Ruhe bringen.

Erstaunlicherweise gibt es noch einen ganz wesentlichen Punkt, den wir uns insbesondere als Frauen bewusst machen können, und das ist, wie unser eigenes Selbstbild funktioniert. Carol Dweck, eine amerikanische Psychologin forscht daran, wie unser Selbstbild entsteht und ist dort dem spannenden Mechanismus auf die Spur gekommen, warum insbesondere bei Frauen manchmal schon ein schlechter Scherz ausreicht, um ihr Selbstbild zum Kippen zu bringen.

Wenn Frauen als kleine Mädchen viel als süß, wohlerzogen, hilfsbereit und fleißig gelobt werden, lernen sie, der Meinung anderer zu vertrauen. Jungs hingegen werden viel öfter getadelt und bestraft. In Grundschulklassen werden Jungs acht Mal so häufig kritisiert und zurechtgewiesen wie Mädchen. Jungs beschimpfen sich auch gegenseitig viel öfter als Vollidiot oder Depp. Die Meinung anderer verliert für Jungs so an Wirkung.

Was lernen wir daraus? Gerade in Umgebungen, wo der Ton sehr geradeheraus und schroff ist und es wenig stärkendes Feedback gibt, kann bei Personen, deren Selbstbild sich auf Basis von Feedback anderer bildet, schnell Verunsicherung entstehen! Daher ist es ganz wichtig, sein eigenes Selbstbild loszulösen vom Feedback anderer und wie einen heiligen Schatz zu hüten.

Gesprächsstrategien für mehr Souveränität

Gesprächsstrategien nehmen folgende Faktoren in das Visier:

  1. das eigene Kommunikationsvermögen und die Frage, was passt zu mir
  2. die eigenen Zielsetzungen, ggf. gestaffelt in Minimalziel und Ausbauzielen, ähnlich zu Verhandlungsstrategien oder auch gestaffelt in kurzfristige und langfristige Zielsetzungen
  3. die Analyse des Gegenübers mit seiner Zielsetzung, Bedürfnissen, Werten und Zugkräften
  4. die Situation mit den darin enthaltenen Möglichkeiten zu agieren
  5. Die Antizipation der Wirkung der eigenen Kommunikation.

Zur Antizipation der Wirkung möchte ich auch auf einen Punkt besonders hinweisen, der für Frauen in ihrer Kommunikation wichtig ist, und zwar ist das der Heidi-Howard-Effekt.

Diese Fallstudie (zu ergoogeln unter „Heidi Roizen case study“) ist bald 20 Jahre alt, aber trotzdem beeinflusst uns dieser Stereotyp noch heute. Bei Männern wird der berufliche Erfolg gesellschaftlich gutgeheißen. Bei Frauen wird Erfolg oft negativ bewertet, selbst wenn die Frauen Anerkennung für ihre Erfolge erfahren. Beschreibende Atribute sind dann „zu aggressiv“, „keine Teamplayerin“, „schwierig“, „kompliziert“, „berechnend“ oder „egoistisch“. So ging es auch „Heidi“ und „Howard“ in der Wahrnehmng ihrer Biografie, die sich nur durch den Namen unterschied! Als kompetent wurden beide gleichermaßen wahrgenommen. Aber während Heidi nicht als Person galt, die man einstellen oder für die man arbeiten möchte, erschien Howard als angenehmer Kollege.

Was bedeutet das für die Gesprächsstrategie? Das bedeutet, dass es für Frauen ein Balanceakt ist, sich gleichermaßen entsprechend eines angenehmen weiblichen Rollenbilds zu verhalten und gleichzeitig klar zu kommunizieren! Sheryl Sandberg kommt in ihrem Buch „LEAN IN“ zu einer These, die ich direkt zitieren möchte, weil sie so gut zusammenfasst, was auch meiner Beobachtung aus vielen Berufsjahren entspricht: „Deswegen muss eine Frau Nettigkeit mit Beharrlichkeit verbinden, ein Stil, den Mary Sue Coleman, Präsidentin der Universität Michigan <unerbittlich freundlich> nennt. Die Methode erfordert, dass man oft lächelt, Wertschätzung zum Ausdruck bringt, sich auf gemeinsame Interessen beruft, höhere Ziele betont und die Verhandlung als Lösung eines Problems angeht, statt eine kritische Position zu beziehen.“ Das Vorgehen deckt sich übrigens mit einem meinen liebsten Grundprinzip aller Gesprächsführungen, dem Harvard-Prinzip, demzufolge es auch heißt „Hart in der Sache, weich zu den Menschen.„.

Handwerkszeug für mehr Souveränität

Es gibt so viel Handwerkszeug für Kommunikation und alles zahlt auf eine Steigerung der Souveränität ein. Ich möchte an dieser Stelle nun drei Aspekte rausgreifen, die ich für besonders wirkungsvoll halte:

1. Das Kleinmach-Vokabular: Lassen Sie das „Kleinmach-Vokabular“ bzw. die „Weichspüler-Sprache“ weg. Wir Frauen neigen ganz besonders dazu, es zu verwenden und es schwächt unsere Aussagen ab. Was ist Kleinmachvokabular?:

  • Fragen stellen statt Aussagen formulieren, z.B. „Wollten Sie nicht noch ein Labor anordnen?“
  • Konjunktiv verwenden, z.B. „Wir sollten noch ein Labor durchführen.“ oder „Wir könnten noch ein Labor durchführen.“
  • kann einsetzen, z.B. „Ich kann dem nicht zustimmen.“ statt „Ich stimme dem nicht zu.“
  • vielleicht, z.B. „Vielleicht sollten wir ein Labor durchführen.“
  • eigentlich, z.B. „Eigentlich sollten wir ein Labor durchführen.“
  • weitere Einschränkungen einbauen wie „manchmal, selten, kann passieren“
  • sehr viel Entschuldigungen einflechten, z.B. „Tut mir leid, sollten wir nicht noch ein Labor durchführen?“
  • inflationär Danke verwenden
  • die Schuld übernehmen „Ich habe so undeutlich geschrieben, wahrscheinlich konnten sie gar nicht sehen, dass ich ein Labor angeordnet habe.“

2. Hart in der Sache, weich zu den Menschen:  Der Satz aus dem Harvard-Konzept bringt die Botschaft so wunderbar auf den Punkt! Wenn Sie sich fragen sollten, wie Sie das genau in Ihrem Alltag umsetzen können, kommt hier eine Kurzanleitung.

  • Innere Sicherheit: Geben Sie sich selbst innerhlich Zeit und definieren Sie für sich, was Sie selbst in der Sache wollen!
  • Klare Artikulation: Formulieren Sie klar, deutlich, konkret und bestimmt, was Sie möchten, benötigen, anordnen, wünschen etc. Seien Sie dabei so kurz, prägnant wie möglich, stellen Sie z.B. ein klares „Ja“ oder „Nein“ vorab, um Ihre Botschaft klar verständlich zu machen.
  • Menschlich: Seien Sie freundlich, höflich und agieren Sie respektvoll, nehmen Sie ggf. Bezug auf gemeinsame Interessen, um die Beziehungsebene zu stärken.
  • Details von Hauptbotschaft trennen: für alle Erklär- und Detail-freudigen – trennen Sie die ganz klare Hauptbotschaft von den Details ab. Machen Sie diese ggf. sogar unnötig, indem Sie Rückfragen stellen von „Was gibt es für Fragen?“ bis „Was ist jetzt Ihr erster Schritt?“.

3. Reaktionszeit verschaffen: Die Fähigkeit, sich Reaktionszeit zu verschaffen ist quasi das Bindeglied zwischen Mindset, Strategie und Kommunikationsgeschick. Was meine ich damit? Sie brauchen Zeit, um sich in anspruchsvollen Situation abwägen zu können und sich für eine eigene, sinnvolle Haltung und Strategie zu entscheiden! Wenn Sie so wie ich vom Typ her zunächst auf „brav“ erzogen wurden, dann haben Sie vielleicht auch so einen Automatismus im Kopf, im Sinne von „Frage kommt“ – „ich antworte schnell und kompetent“, so wie das Frage-Antwort-Spiel in der Schule oder bei Prüfungen. Je älter wir werden und je mehr wir in eine Führungsrolle kommen, ist genau diese Kombination aus Frage-Antwort jedoch kontraindiziert. Viel besser: Zeit verschaffen. Wie machen Sie das? Indem Sie nochmal selbst das Gesagte zusammenfassen (paraphrasieren), indem Sie z.B. einfach nur sagen „Gute Frage. PAUSE.“ und dann weitersprechen oder indem Sie eine Rückfrage stellen, z.B. „Wie würden Sie entscheiden?“ oder „Was meinen Sie?“. Manchmal reicht diese kurze zusätzliche Zeit schon aus, um sich souverän aufzustellen. Wenn nicht: Vertagen Sie! Sagen Sie z.B. „Ich werde jetzt keine Entscheidung treffen. Ich melde mich bei Ihnen bis … .“

Fazit: Souveränität beginnt im Innen!

Souveränität können wir unter anderem durch gutes Kommunikationsgeschick nach Außen tragen, aber letztendlich beginnt sie im Innen. Souveränität ist eine Haltung. Und wenn ich mit meinen Kund*innen darüber spreche, wo sie sich ihrer Meinung nach unsouverän verhalten haben, wissen Sie, was ich dann oft raushöre? Dass es sich um Situationen handelte, wo ganz viel zusammenkam, ggf. nach tagelangen Nachtdiensten. Vielleicht sollten sie bei Ihrem Wunsch nach mehr Souveränität auch eins nicht aus dem Auge verlieren: dass es Ihnen gut geht!! Da kann der pünktliche Feierabend manchmal wirkungsvoller sein als die ausgefeilteste Gesprächsstrategie.

Mein Buchtipps zum Vertiefen:

  • Deborah Tannen – Job-Talk. Wie Frauen und Männer am Arbeitsplatz miteinander reden. Erscheinungsjahr 1994.
  • Sheryl Sandberg. LEAN IN- Frauen und der Wille zum Erfolg. Erscheinungsjahr 2015
  • Carol Dweck – Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge und Niederlagen bewirkt. Erscheinungsjahr 2017
  • Roger Fisher, Wiliam Ury, Bruce Pathon – Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik. Erscheinungsjahr 1984

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Astrid Schroeder